Tinariwen - Amatssou (lim.ed. White Vinyl)
Rezension
Schwarzes Vinyl im Klappcover, Booklet und bedruckter Innenhülle.
Einige Leute haben angemerkt, dass Tinariwen schon immer eine Country-Band waren, wenn auch eine nordafrikanische Interpretation dieses nordamerikanischen Genres. Dieser Gedanke wird auf dem neuen Album Amatssou noch verstärkt. Hier verschmelzen die für die Tuareg-Band typischen schlängelnden Gitarrenlinien und hypnotischen Rhythmen nahtlos mit Pedal Steel, Klavier und Streichern von Gastmusikern wie Daniel Lanois, wobei die verschönerten Arrangements den Liedern eine epische, universelle Bedeutung verleihen. Die Texte sind voller poetischer Allegorien und rufen zu Einheit und Freiheit auf. Es sind Lieder des Kampfes und des Widerstands mit schrägen Verweisen auf die jüngsten verzweifelten politischen Umwälzungen in Mali und die zunehmende Macht der Salafisten. Der Albumtitel Amatssou ist tamashekisch für 'Jenseits der Angst', und das passt. Tinariwen haben sich schon immer durch ihre Furchtlosigkeit ausgezeichnet oder wie Bob Dylan einmal sagte, besteht die Kraft des Rock'n'Roll darin, dass er uns 'die Angst vergessen lässt', uns die Kraft und die Widerstandsfähigkeit gibt, uns den Widrigkeiten zu stellen. In den zwei Jahrzehnten, seit Tinariwen ihre Basis in der afrikanischen Wüste verlassen haben, um durch die Welt zu touren, haben sie viele bekannte Country-, Folk- und Rockmusiker aus den USA kennengelernt, darunter Kurt Vile, Stephen O'Malley, Jack White und Wilco. Der zeitlose Horizont der endlosen Sahara und die wilde Grenze des Alten Westens - mehrere tausend Meilen Ozean mögen den Wüstenblues von Tinariwen und die authentische Country-Musik des ländlichen Amerikas trennen, aber die Verbindungen sind ebenso greifbar wie romantisch.
Unser Rezensent ist angetan und beschreibt das Album so:
23er nach 4 Jahren Album-Pause, mit einigen Überraschungen und mehr Abwechslung denn je. Das Tempo ist insgesamt relativ hoch, im Allgemeinen bestimmen 2 bis 3 E-Gitarren den Sound, gewohnte kleine Chöre/Call and Response-Stimmen besitzen einen ziemlich großen Stellenwert, konsequent setzen sie Percussion statt Drums ein, zur Hälfte auch Akustik-Gitarren, mitreißende Grooves stehen neben perfekter Polyrhythmik.
Neu aber ist, daß und wie sie Pedal Steel, Geige und manchmal auch Banjo integrieren! Wofür Gäste wie Wes Corbett (Molly Tuttle, Joy Kills Sorrow, Robbie Fulks), Fats Kaplin (John Prine, Hayes Carll, Tom Russell, Jack White und viele viele andere; er spielte übrigens schon mal auf einer Tinariwen-LP, 2014) und Daniel Lanois (der zudem co-produzierte) sorgen. Der Country-Bezug von Musikern und Instrumenten ist gewollt, allerdings agieren sie oft deutlich abseits von deren üblichen stilistischen Schemata, teils zudem überraschend offensiv (was beides vor allem für die Geige gilt, bzw. Pedal Steel), dabei wird der klassische Tuareg-Sound keineswegs vernachlässigt (die im Label-Info besonders betonten Country-Parallelen empfinde ich nicht als so wirkmächtig, selbst die verwendeten Motive sind großteils andere). Auch die (generell exzellenten!) E-Gitarren klingen hier und da für ihre Verhältnisse unorthodox (umso reizvoller!), punktuell enorm scharf, anderswo irgendwie stechend oder herrlich perlend, inklusive mehrerer superber Effekte, insbesondere erzeugen sie mehrfach ein ganz schön psychedelisches Feeling (bestechend!).
Sehr positiv wirkt sich der verschiedenartige Charakter diverser Songs aus, mal Highspeed und groovend wie Hölle, mal unerhört kraftvoll und deep, mal klangmalend, ruhig, runtergedimmt und hoch atmosphärisch (fast kontemplativ), die psychedelisch eingefärbten Tracks auf ganz eigene Art immens hypnotisch und total faszinierend, ein kurzes auf afrikanische Geige reduziertes Instrumental atmet archaisches Flair, ebenso wie ein tief traditionelles rollendes Trance-artiges Stück, das sich ganz auf weiblichen Gesang und einen Backing-Chor konzentriert (der bei mir für die spontane Assoziation „gregorianisch“ sorgte). Weitere Nummern kombinieren/kontrastieren eine dezidiert rockige Note mit vielschichtiger Rhythmik und einer ganz feinen Akustik-Gitarre, die an uralten Blues erinnert, bzw. Psychedelia mit einer gewissen Schwere, leichterem Groove und wiederum bestechend atmosphärischer Klangmalerei. Geringere Blues-Spuren tauchen übrigens einige Male auf, Rock-Feeling auch in subtiler Ausführung. Zu allem Überfluß gibt´s ab und zu geradezu catchy Melodien. Ganz klare Empfehlung, ein großartiges Album. (detlev von duhn)
Tracklisting
01. Kek Alghalm< |
>02. Tenere Den< |
>03. Arajghiyine< |
>04. Imzad (Interlude)< |
>05. Tidjit< |
>06. Jayche Atarak< |
>07. Imidiwan Mahitinam< |
>08. Imzad 2 (Interlude)< |
>09. Ezlan< |
>10. Anemouhagh< |
>11. Iket Adjen< |
>12. Nak Idnizdjam< |
>13. Tinde (Outro) |
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