Terry Lee Hale - The Long Draw
Rezension
In Zeiten, in denen Trends kurzlebiger und mannigfacher denn je sind, die digitale Revolution längst Alltag, ja, Schnee von gestern ist und auch sonst das Faktum der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne wohlfeil beklagt wird, tut dieses Album, diese Musik gut. Entschleunigung, in sich Ruhen, Zeitlosigkeit. Und auch: Tiefe. Charisma. Melancholie. Wut. Aber: dennoch Optimismus, der Glaube an Gefühle, völlig unprätentiös, in herrlich entspannter Form, natürlich, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, auf knapp 45 Minuten in acht beeindruckende Songs gebannt. Terry Lee Hale hat eine lange Reise hinter sich. Den gebürtigen Texaner (San Antonio) verschlug es nach Seattle zu Zeiten vor und während des Grunge-Hypes, sein erstes Lebenszeichen auf Tonträger kann man heute noch auf der legendären „Sub Pop 200“ Compilation von 1988 nach hören, zudem ihn Bruce Pavitt und Jonathan Poneman als einzigen Nicht-Grunge Act einluden. Mit Veröffentlichung seines ersten Albums „Oh What A World“ im Jahr 1993 wurde er zum Vorzeige-Künstler der damals hippen Singer/Songwriter/Americana Szene, in Frankreich (seiner heutigen Wahlheimat) rollte man ihm den roten Teppich aus, Le Monde kürte sein Debut zum „Album of the Year“, Télérama adelte ihn mit dem Satz, dass seine besten Songs die Qualität eines Townes van Zandt erreichen, der legendäre Pariser Plattenmogul Patrick Mathé (New Rose, Last Call) nahm ihn unter seine Fittiche und in Deutschland war zu der Zeit Glitterhouse schon einmal Heimat für den Rastlosen. Aufgenommen unter der Regie von Bob Coke (Ben Harper, Black Crowes) und in intimer, kleiner Besetzung eingespielt, faszinieren Gitarrenspiel und die wettergegerbte Stimme Terry Lee Hale’s ebenso, wie die exzellente (baskische) Rhythm Section Frantxoa Errecarret an den meist mit Besen gespielten Drums und Nicholas Chelly (Kontrabass). Dazu gesellen sich bei Bedarf Gastmusiker wie Jon Hyde (Laura Veirs, Jim White) an der Pedal Steel, Glenn Slater (The Walkabouts) an den Tasteninstrumenten oder sein alter Weggefährte Jack Endino (Bass). Um aus dieser musikalischen Ausgangsposition etwas so besonderes zu machen, wie „The Long Draw“ bedarf es allerdings einer weiteren wichtigen, elementaren Zutat: Herausragendem Songwriting. Und das findet sich auf diesem Album im Übermaß. Terry Lee Hale hat sich längst von seiner Alt.Country-Historie emanzipiert, sein musikalisches Universum permanent erweitert, einen über mehr als vier Jahrzehnte organisch gewachsenen, eigenen Stil entwickelt, der sich jenseits von Kategorisierungen findet. Dazu ist er ein sehr genauer, einfühlsamer Beobachter des alltäglichen Scheiterns in all seinen Facetten, voller Empathie für seine Protagonisten, sein Blickwinkel ist speziell, platte Lebensweisheiten seine Sache nicht.Terry Lee Hale ist ein Songpoet der Extraklasse, eine singuläre Erscheinung in der Musikwelt, dessen Kraft und Ausdrucksstärke -bei aller Zurückgenommenheit- mit den Jahren gereift sind, wie ein 20 Jahre alter Single Malt der Insel Islay, mit allen Ecken und Kanten. Es ist Zeit, Terry Lee Hale neu zu entdecken.
Review
Terry Lee Hale is a man who’s traveled roads and years, across America and Europe. Born in Texas, one of the godfathers of the Seattle scene (the only singer-songwriter featured on the seminal ‘80s compilation Sub Pop 200) and now resident in Paris, he’s been releasing albums for three decades.Terry Lee Hale’s new album The Long Draw is an album of short stories. It’s like Raymond Carver’s “Short Cuts” but framed with music. It’s living stripped to the bone, a travelogue of home movies that range across America and Europe. Pins on a map. For his new album, Terry Lee takes stock of our modern life in stories where all pretence is stripped away, where every breath and syllable is vital.This is roots music. Not Americana or gospel, although there are traces of that on “What She Wrote,” a song that takes Terry Lee all the way back to his boyhood and a little wooden Pentecostal Church of God. But the roots here are of life and love and of the past and the future. For all the tracks, these roots have been patiently dug up and brushed off; their essence exposed.The Long Draw is a masterful album of American songwriting. Terry Lee Hale has arrived at that hard-earned place where he can both look backward and forward and he has given us a kaleidoscopic, musical travelogue that navigates these two perspectives insightfully and unsparingly.
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