John Coltrane - A Love Supreme : Live In Seattle
Rezension
21er Release, unveröffentlicht, offiziell auf Impulse, ziemlich sensationell. Die Original-LP, Ende 1964 produziert, gilt für viele als eines der besten, oft DAS beste Jazz-Album aller Zeiten.
Bislang war nur ein Konzert bekannt, bei dem er das monumentale Werk aufführte, in Antibes im Juli 1965. Nun wurden unbekannte Live-Tapes gefunden, im Oktober 1965 mitgeschnitten auf einer Ampex-Maschine mit 2 Mikros vom Club-Besitzer des Auftrittsortes (ein langjähriger Freund von Coltrane; die bekannte Seattle-Doppel-CD stammt übrigens vom selben Ort, ein paar Tage früher, freilich ohne Love Supreme), in insgesamt angesichts der Umstände doch erstaunlich guter Tonqualität nicht gerade das non-plus-ultra in Sachen Ausgewogenheit des Klanges (die Drums laut, die Saxes oft etwas zu leise, Trane bewegt sich manchmal auch vom Mikro weg), aber in Stereo, kein Klangbrei, recht klar im Sound! Der Unterschied der Versionen ist beträchtlich: Die Studiofassung und Antibes (33 und 48 Min. lang) wurden mit dem „klassischen“ Quartett aufgenommen, das hier mit 3 zusätzlichen Musikern: Der frisch in die Band gekommene Pharoah Sanders sowie ein 3. Saxofonist (Carlos Ward) und 2. Bassist (Donald Garrett), zudem befindet sich Trane hier schon in seiner Free-Phase.
Das Ergebnis erstreckt sich über satte 73 Minuten, was nicht nur an den diversen ausgiebigen (hier als „Interludes“ bezeichneten) Bass- und Drum-Soli zwischen den 4 Teilen der Suite liegt, auch das Ensemblespiel wurde stark ausgeweitet. Anders als der (relativ!) nah an die Studio-LP angelehnte Antibes-Auftritt geht´s hier entsprechend musikalisch erheblich weiter, es gibt große harmonische Freiheiten (abgesehen von den Soli teilweise merklich auch beim Piano) die Rhythmik bewegt sich zwischen Fluß, Puls, Polyrhythmik und komplexerem Swing (mit wechselnder Gewichtung), insbesondere Sanders zelebriert immer wieder puren kompromißlosen Free Jazz (in langen Statements), Trane changiert zwischen erweiterter Modal- und inspirierter Free-Spielweise sowie melodischer Grandezza, Elvin Jones agiert großartig an den Drums, gern erheblich anders als beim Original, ungeheuer dicht und energiereich (partiell unterstützt von Bonus- Percussion der Saxofonisten).
Auffällig im Gesamt-Kontext, wie eng sich phasenweise die Bass-Soli innerhalb des Grund-Themas bewegen (auch mal gestrichen übrigens). Der Schlußteil (Psalm, nur Coltrane am Sax) ist mit Abstand am deutlichsten an das Original angelehnt, herrlich poetisch bis inbrünstig und wunderschön, zudem tief spirituell (was auch vorher, freilich in weitaus extrovertierterer/lauterer Form, häufig zum Ausdruck kommt). Ach ja: Keine Vocals. Natürlich reicht die Musik nicht ganz an die Studio-LP heran (das tut jedoch auch sonst nichts und gar nichts), aber das hier ist echte Musik-Historie von exorbitanter Qualität! (detlev von duhn)
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