International Music - Endless Rüttenscheid
Rezension
Rüttenscheid – So heißt der florierende Essener Stadtteil mitten in Europa, der im Ruhrgebiet für lukratives Wachstum, aber eben auch für die allseits bekannte Gentrifizierungs-Problematik steht. Aber wie bei International Music üblich, bilden solche gesellschaftspolitischen Sujets hauptsächlich Räume, um sich darin zu verlieben, zu träumen und sich wieder zu trennen, bloß um sich eines Tages wiederzusehen.
Pedro Goncalves Crescenti, Peter Rubel und Joel Roters haben seit ihrem Debüt-Album »Die besten Jahre« konsequent einen eigenen, so farbenfrohen wie minimalistischen Rock-Sound entwickelt, der zwischen 60ies Beat & Boogie, 70ies Krautrock, 80ies New Wave und 90ies Shoegaze und Postrock oszilliert. Also so ziemlich allea, was der Mensch in der Formation Bass, Schlagzeug und Gitarre zusammen an freudiger Musik herstellen kann.
»Hier nur Kraut und Rüben, drüben blühen Blüten«, heißt es im Opener »Kraut«, der genauso nach Can wie Canned Heat klingt. Und das ist das Faszinierende an dieser Band: Die besagten Dekaden, Genres und Sounds bilden im International-Music-Kosmos im Grunde Layers, die wie bei einer Doppelbelichtung übereinandergeschichtet werden und am Ende noch einmal durch den VHS- oder Super-8-Rekorder laufen. Die drei Wahl-Essener entwickeln mit großer Faszination für die unterschiedlichen Techniken und Gerätschaften aus mehr als 50 Jahren Rock- und Popgeschichte die eigene Musik stets weiter.
Getragen werden diese Songs vom unverkennbaren Harmoniegesang von Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti, die bekanntlich auch als The Düsseldorf Düsterboys ihr Unwesen treiben. Auf »Endless Rüttenscheid« treten sie erstmals aus ihren Hallräumen an die trockene Oberfläche und verleihen ihren Stimmen und dem Text somit eine neue Nähe.
In Roters stoischem Schlagzeug und den sich umspielenden Bass- und Gitarrenmelodien Rubels und Goncalves Crescentis steckt stets eine feine Melancholie – die International Music nach Belieben durch subtilen Humor zu konterkarieren oder eben zu verstärken wissen. Eine einzigartige Mischung, die Olaf Opals Produktion in ein zeitloses Gewand gepackt hat.
Unser Rezensent meint zum Album:
Das (Gitarren-) Trio aus dem Ruhrgebiet gehörte von Beginn an zu meinen bevorzugten deutschen Bands (zu zwei Dritteln identisch mit den Düsseldorf Düsterboys). „Minimalistischer Rocksound“ steht recht treffend im Info. Aber ein ganz schön vielfältiger: Drama-Guitar Rock mit Retro-Flash und Proto-Acid-Momenten. Melancholischer melodienseliger Guitar Pop in zeitlos, jedoch mit modifiziertem/erweitertem 60s-Vokabular. 80s-Deutsch-Wave mit und ohne Reggae-Touch, ansteckend oder ganz besonders minimalistisch. Sowas wie „Psyche-Folk“. Skelettierter purer Pop trifft einen Hauch (nicht mehr, und nur punktuell) Kraut, wie in Trance. Ein manipulierter Mix aus Them und Velvet Underground plus Psyche-Einfluss in der tollen Gitarre, klasse Melodie-Einfälle. Eine Art verfremdeter Boogie unter 50s-Einfluss inklusive massiver Distortion. Stoisch und unverschämt poppig zugleich mit anschließender Acid-Gitarre hypnotisch und packend! (Power) Pop in starker 70s-Färbung. Garage-Tendenz mit wüstem Schluss und dennoch Pop-Flair. Und mehr Melancholie, mehr Melodie, jede Menge reizvolle Harmony-Vocals. Wie schon zuvor gilt auch hier: Die (deutschen) Texte nerven mich null, kommt nicht so oft vor. Exzellent. (detlev von duhn)
Tracklisting
1. Kraut< |
>2. Fehler< |
>3. Guter Ort< |
>4. Karma Karma< |
>5. Kieselwege< |
>6. Endless Ruttenscheid< |
>7. Lass Es Ziehn< |
>8. Mont St. Michel (Reprise)< |
>9. International Heat< |
>10. Liebesformular< |
>11. Im Sommer Bin Ich Dein Konig< |
>12. Unterschied |
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