Die Wände - Die Wände (180gr)
Rezension
Carsten von Postel, Jann Petersen und Mathias Wolff gründen ihre Band 2013 während des gemeinsamen Studiums an der Universität der
Künste Berlin auf Basis einer beschwipst- euphorischen SMS. Alle Bandmitglieder kommen zu der Zeit aus unterschiedlichsten musikalischen Richtungen, sind neu in ihrer Rolle am jeweiligen Instrument und starten unter dem Namen “girlie” mit poppigem PostPunk. Eines ihrer ersten Konzerte spielen sie im mittlerweile abgerissenen Club Antje Øklesund und finden in dessen sozialer Umgebung schnell ein Zuhause. Im Oktober 2015 veröffentlichen sie über das Berliner Label Späti Palace ihre erste gleichnamige EP auf Kassette & digital, touren zusammen mit der Band Molde und spielen auf Festivals (u.a. beim Jenseits von Millionen, c/o pop, Alinae Lumr und dem Incubate in den Niederlanden). Der Musikexpress kürt sie zu einem der besten Newcomer auf dem c/o pop Festival 2016. Im gleichen Jahr veröffentlichen sie eine gemeinsame Split-EP (12“ Vinyl und digital) mit der Berliner Band Pigeon, anlässlich derer die TAZ ihren Sound als Weiterführung von 80er-Jahre Gruppen wie Dinosaur Jr., Sonic Youth oder The Wedding Present einordnet.
Diese Genre-Schublade werden sie in 2017/2018 jedoch in Teilen verlassen und beginnen an ihrem Debütalbum „Im Flausch“ zu arbeiten. Im Zuge dessen entschließen sie sich, mit deutschsprachigen Texten weiterzuarbeiten. Die Stimmung der Songs wird offener, zwischen die Instrumentalparts kehrt so etwas wie Popmusik ein – ausgebreitet auf
immer wieder gern 5 bis 7 Minuten Spielzeit. Es ist ein unironisches Nebeneinander von schroffen Oberflächen und einladendem Gestus, von Noise und Pop, von Frustration und Euphorie, ja von der grauen Welt (auch der in einem selbst) und von etwas, dass sie Utopie nennen könnten. Vor der Veröffentlichung des Album benennt sich die Band in Die Wände um und beendet damit ihre Neuerfindung. Im Flausch erscheint im Frühjahr 2019 auf Vinyl bei Späti Palace.
Es folgen ausgedehnte Touren und Festivalshows im In- und Ausland während die Band parallel bereits an neuem Material arbeitet. Im Frühjahr 2020 macht die Corona-Krise dann jedoch von heute auf morgen einen Großteil des kulturellen Lebens auf unbestimmte Zeit unmöglich. Es wird still - auch um die Wände. Und jetzt?
Ein Rückzug nach innen, der Proberaum der Gruppe wird zu einem besonderen Ort. Für lange Zeit ist er der einzige soziale Bezugspunkt in der Isolation: gemeinsames Labor, Raum für Auszeiten, aber gleichzeitig auch ein Ort tiefer Konzentration auf einen gemeinsames Tun. Während auf den Straßen der Stadt eine seltsame Leere entsteht schauen Die Wände aus dem Fenster in die Dunkelheit und warten ab was passiert. Zeit wird zu einem schwammigen Konzept, das sich mal sonderbar dehnt und dann wieder zusammenzieht. Das intensive gemeinsame musikalische Agieren auf den Bühnen der letzten Jahre führt hier zu neuen Formen der Kollaboration, das Material ist in seinem Urspung intuitiver, Impulse für das Songwriting kommen aus neuen Konstellationen in dieser dichten Gemeinsamkeit. Über einen Zeitraum von fast zwei Jahren entstehen so zahlreiche Skizzen und Ideen für neue Musik.
Im Spätsommer 2021 geht es für die Band ins Studio Tutti nach Leipzig um nach „Im Flausch“ erneut gemeinsam mit Alexander Günther (u.a. Mellie, Adrie, Molde, Go Lamboghini Go) ein neues Album zu produzieren und aufzunehmen. Aufbauend auf dem Nebeneinander von schroffem Noise und einladendem Pop auf dem Debütalbum sind auch die neuen Songs mal schneidend dissonant, dann wieder fesselnd hypnotisch oder melancholisch wohltönend - gepaart mit oft pointierten, assoziativen Texten. 14-minütige hypnotische Grooves (24h) treffen auf knapp zwei Minuten Powerpunk (Der Trick), dazwischen finden sich aber auch nahezu klassische Popsongs (Future Me). Alle Songs verbindet die seltsam unheimliche (Un-)Ruhe einer pandemischen Zeit.
Das zweite Album der Gruppe Die Wände erscheint im Frühjahr 2022 bei Glitterhouse Records.
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