Arooj Aftab - Vulture Prince (Deluxe Edition)
Rezension
2021 ursprünglich erschienen (nur in den USA), jetzt in einer Neuauflage auch hier mit 2 Bonustracks (einer davon mit Gast Anoushka Shankar), zu meinem Erstaunen (denn die pakistanisch-stämmige Sängerin aus New York betritt schon auch Neuland) auf dem altehrwürdigen Traditions-Label Verve. Diverse der nun 8 Stücke (alle lassen sich Zeit, 5 bis 8 Minuten) glänzen in vollkommen friedlicher kontemplativer traumhafter Atmosphäre, optimal in ziemlich hallreichen Räumen angesiedelt, die Instrumente (viel Akustik-Gitarre, je zur Hälfte Harfe, akustischer Bass und Geige, in einem Fall auf Streichquartett erweitert, manchmal Flügelhorn, punktuelle E-Gitarre, Flöte und Synthie) in perfekter Weise mit ihrem verzauberndem hinreißendem Gesang vereint (Letzterer setzt in gewissen Abständen seine Statements).
Wer ganz traditionalistisch ausgerichtete World Music in herkömmlichem Sinn erwartet, liegt falsch okay, ihr Folk verschiedener Stilistik besinnt sich auch und klar auf ihre Herkunft (besonders der Gesang samt Melodik), überhaupt dominieren deutlich mittelasiatische Einflüsse (in deren „klassischer“ Form), aber darüber hinaus sind dezent „westlich“ geprägte (Folk-) Elemente sowie ein gewisses jazziges Flair (in relativ geringem Maße, v.a., was die Art zu spielen betrifft) zu hören, vielleicht sporadisch eine kleine Prise New Age. Aber, nicht vertun: Bei aller Sanftheit und totaler Ruhe in vielen Stücken, in der Instrumentierung passiert eine Menge, sie verfügt generell über reichlich Freiheiten, die Töne werden feinst verschliffen (die tolle Geige!), Melodien entwickelt, schnelle Kaskaden eingebaut, fortdauernd eigenständige Akzente gesetzt, die Spielweise entfernt sich teilweise weit von orthodoxen Schemata. Teils setzt sie in den einzelnen Songs nur 2 oder 3 Instrumente ein, in manchen, sehr farbenreichen, bis zu 7. Zudem gibt es einiges an Abwechslung. Neben oben angesprochenen fast gänzlich kontemplativen Tracks (was bis hin zu gedehnten beinahe zeitlupenhaften geht, aber auch gelegentlich von aufwallenden dramatischen kurzen Spitzen, rhythmischen Verdichtungen durchbrochen wird) entwickeln zwei einen sanften gleichmäßigen Fluß (inklusive minimaler Percussion), mit und ohne Trance-Feeling, der sich schon mal gegen Schluß verschärfen, steigern kann; und weitere zwei fallen aus dem gewohnten Raster sowieso raus: Ein absolut vorzüglicher sehr luftiger sparsamer großteils akustischer Reggae inklusive Dubeinfluß und kurzzeitigen pakistanischen Anleihen enorm faszinierend, so etwas wie spirituelle Trance-Momente eingeschlossen. Und das Anoushka Shankar-Stück, phasenweise extrovertierter, besonders durch die Sitar von Shankar. (Übrigens: Die bedingungslose betörende Art der Schönheit der Musik und die Form, in der alte Traditionen zu etwas Neuem geformt werden, macht das Album in der ganzen Atmosphäre vielleicht vergleichbar mit einem westafrikanischen Musiker (zumindest in gewissen Stücken), nämlich Ablaye Cissoko (wobei dessen Kora durchaus Parallelen zur hier verwendeten Harfe zuläßt. Von dem gibt es auch Neues, diesmal leider nicht ganz so toll).
Große Empfehlung, ich bin hingerissen (und nicht nur ich: Die ursprüngliche Version, minus 2 Titel, war in diversen „wichtigen“ Bestenlisten des Jahres 2021 vertreten, von u.a. New York Times, Guardian, dem US-Rolling Stone, Pitchfork, gar Barack Obama. Und räumte einen Grammy ab!). (detlev von duhn)
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