Rezension
Dringlichkeit ist eine dieser schönen alten Tugend, von deren Last sich die Sänger und Schreiber schon in den ersten Tagen der Tin Pan Alley und Sheet Music entledigt haben, de facto bei Erfindung der Musikverlage. Damit fing das Schwächeln an. Entsprechend schlecht scheint es um die aktuelle Generation von Songwritern bestellt zu sein. Auf jede annehmbare Stimme kommt ein Text, der in seiner fluffigen Nichtigkeit sogar den gesammelten Nonsens der Popliteratur unterbietet. Etwas mehr Intensität könnte den beredeten Sprachlosen nicht schaden. Aber allesamt brauchen sie vorrangig eins: Dringlichkeit! Nur sie trennt den Künstler vom Schwätzer.
Ben Weaver vergleicht seine Songs mit einem Aderlass - "Ich blute sie raus. Das ist mein Leben. Ohne sie hat die Welt keinen Sinn." Er ist 27 Jahre alt und sein Lebensmittelpunkt ist neben der Bühnen der Welt eine ehemaligen Sargfabrik in Minneapolis, Minnesota - "Paper Sky" ist sein fünftes Album und wenn er seine rauhe Stimme erhebt wie ein naturgewaltiger Dylan ohne Polypen oder ein junger Waits ohne Freak-Faktor, dann beben Fundamente. In seiner gemächlich dahin rollenden Musik manifestiert sich eine kompromisslose Dringlichkeit, die seine Worte ohne Eile, in aller Ruhe mit Nachdruck direkt in das Zentrum unserer Vorstellung treibt. Eine Koryphäe der Funk-Werbung hat einmal die Möglichkeiten des Radios mit der Formel "Kino für den Kopf" beschrieben, dementsprechend ist Weavers Musik ein in spektakulär unspektakulären Bildern verfilmtes Audio-Book, stilistisch irgendwo zwischen Jarmusch und Wenders mit einem Schuss John Ford, beseelt vom Gründergeist des italienischen Neo-Realismus.
Musik bekommt für Weaver ihren Wert durch die Geschichten, die in den Songs erzählt werden. Ihm dient Musik als ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass man seine Geschichten möglichst oft hört. Das sorgt für eine ganz andere Art von Vertiefung - wer liest schon ein Buch zwei- oder dreimal? Und wie oft lauscht man im Vergleich einem Lieblingssong? Ben Weaver kann laut eigenen Aussagen ohnehin (noch) keine Geschichten ohne Musik schreiben, vielleicht später einmal. Dafür hat er das Talent, ganze Kapitel in eine Zeile zu packen und aus 15 solcher Zeilen einen Song zu machen, der mehr erzählt als das Lebenswerk eines beliebigen Vielschreibers. Jede seiner Zeilen ist ein Kondensat, und in den Leerstellen/-zeilen der Texte finden noch zahlreichen Doppeldeutigkeiten Unterschlupf. Weaver ist Meister der Reduktion, oft werden seine Geschichten weniger von den Worten als viel mehr von den Pausen und Auslassungen erzähl
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Herstellerinformationen
Glitterhouse Records GmbH
Schlachthofstr. 36a
21079 Hamburg
Deutschland
www.glitterhouse.com
Review
wahlweise treiben die sprachlichen Bilder ein böses Spiel und verraten ihren eigentlichen Sinn erst im Beiklang - dann wird aus der Plastiktüte im Baum eine wertlose Existenz, ein gestrandeter Drifter oder … (Platz für eigene Notizen). Hier gibt es keine Deutungshoheit, jede Interpretation ist so richtig wie sie falsch ist - es sind auch deine Geschichten, mach was draus!
"I donþt want you to fuck me, I want you to blow me away!" Was zunächst wie die beste Pick Up-Line seit der Erfindung des Springbreaks oder wie ein T-Shirt-Slogan für flirtlustige Emo-Kids klingt, ist eine dieser großartigen Zeilen, die Weaver bei der Lektüre von "Go Tell the Mountain: The Stories and Lyrics of Jeffrey Lee Pierce" gekommen sind. In ihrer Summe bilden sie "Surrealism + Blues", seinen Tribut an den Kollegen vom Gun Club - Pierce hat übrigens die Dringlichkeit in Verbindung mit einem unstillbaren Lebenshunger 1996 dahingerafft, er wurde 37 Jahre alt und hinterließ einen beängstigenden Korpus an großartigen Songs.
Der Titel "Surrealism + Blues" vermittelt überdies eine Ahnung, was sich mit "Paper Sky" musikalisch geändert hat. Wurden Weavers vorangegangenen vier Alben von analoger Fusseligkeit und traditionellen Instrumenten bestimmt - zur knorrigen Perfektion getrieben auf seinem Poll-Abräumer "Stories Under Nails" (þ03) - geht es jetzt um mehr: Sanft mischen sich digitale Signale, dezente Störfrequenzen und das eine oder andere Geplucker in den weiterhin von Saiteninstrumenten dominierten Gesamtsound. Das klingt alles sehr dezent und verhalten aber gibt den Songs manchmal einen entscheidenden zusätzlichen Dreh, weg vom staubigen Realismus der Strasse, hin zu der überrealen Unwirklichkeit des Urbanen, was natürlich nur den Geschichten dient, die zunehmend auch vom Stadtleben handeln.
Dank seines Produzenten Brian Deck (Modest Mouse, Iron & Wine) machte Ben unlängst Bekanntschaft mit dem Soundtüfftler Fennesz. Der Wiener fasziniert mit gebrochenen, gleichsam von Gitarren wie auch vom Laptop bestimmten Kompositionen und war laut Ben ein starker Einfluss, was die "Sound-Anmutung des Albums" betrifft. Gleichzeitig beflügelte jede Menge Bill Evans, Glenn Gould und Silver Jews die Arbeit im Heimstudio. Das Ergebnis ist einer dieser ganz raren Glücksfälle: ein Album, das mit jedem Hören etwas mehr erzählt aber dennoch niemals sein ganzes Geheimnis preisgibt. Wie gemacht für die Ewigkeit.
„Zwischen Neofolk (ohne das Elfen- und Waldschrat-Gedöns), den trunkenen Moritaten des jungen Tom Waits und dem klassischen Folk-Songwriting Leonard Cohens – irgendwo in diesem magischen Dreieck lassen sich die Songs des hochbegabten, allseits gepriesenen Ben Weaver verorten, die er uns auf Paper Sky, seinem fünften Album und ersten für das kleine, aber feine Glitterhouse-Label in Beverungen, kredenzt. Ob zartestes Liedgut wie das nur von Banjo, Cello und sachtem Geklöppel begleitete Like A Vine After The Sun, rockige Ausbrüche à la Wings As Knives oder besoffene Dreivierteltakter (The Unelected), ob digitales Flirren oder analoges Fingerpicking: Der 27-jährige aus Minneapolis trifft auf Paper Sky stets den richtigen Duktus zwischen Gestern und Morgen, Tradition und (Post-)Moderne, Laptop und akustischer Gitarre. Plus: Er umgibt sich dabei auch mit den richtigen Helfern – Brian Deck (Modest Mouse, Iron & Wine) hat das Album produziert und spielt Keyboards, Synthesizer sowie Percussion -, huldigt den richtigen Ikonen (das spukige Surrealism + Blues ist dem unvergessenen Jeffrey Lee Pierce zugeeignet) und hörte während der Aufnahmen im Heimstudio die richtige Musik (Bill Evans, Glenn Gould). Das Wichtigste von allem aber ist: Ben Weaver hat ganz und gar wunderbare Songs für dieses Album geschrieben, Songs, die nicht beim ersten oder zweiten Hören unmittelbar eingängig sein mögen, dafür ihren Zauber ganz allmählich und umso nachhaltiger entfalten – wie eine wunderschöne Blume, die sich dem Betrachter ganz langsam öffnet. … Paper Sky ist ein Sturm aus Schräg- und Schönklang, der uns wegbläst, fort in ein geheimnisvolles, fernes Land – ganz, ganz sanft, mit einem Flüstern.“ (Musikexpress. 5 Sterne)
Hörproben auf Benþs Myspace-Site!
Tracklisting
“I only have one rule when it comes to songwriting. That is: whenever I have an idea I stop whatever I am doing and I write it down.”< |
>So goes the life of Ben Weaver. And though the Oregon-born songwriter spends more time in his basement getting those ideas down than is likely proper or healthy, it’s hard to argue with the results – evocative, hushed songs populated by birds, phone booths, lovers, empty parking lots, friends, shoppers in the checkout line, and plastic bags stuck in trees.< |
>A former Casket Company warehouse in Minneapolis, Minnesota is Weaver’s current world headquarters. Multitudinous organs, synthesizers, guitars, a sampler, a piano, a dog, Polaroid cameras, sketch books, New Yorker back issues, boxes of CDs and a PowerBook mark the territory. There is an air of controlled chaos and the musty smell of old tube amps.< |
>This is where, under the watchful eye of a dog and perhaps several hundred interred ghosts, Weaver’s striking new album, Paper Sky, took shape. With the aid of committed producer Brian Deck (Modest Mouse, Iron & Wine), the record coalesces into a seamless blend of urban and rural, experimental and roots. “This record explores urban and industrial themes that I hadn’t touched before. I have been living in the city and that has made me see the relationship between the city and field differently.”< |
>Consequently, Weaver’s interest in experimental and electronic music steps to the forefront on Paper Sky, with crinkly synthesizer textures and other mutilated sounds mixed beneath beautiful layers of cello and blasts of processed trumpet. “Deck exposed me to the Austrian laptop performer Fennesz. He was a huge influence for a lot of the sound stage and static feel of this record. But I was also listening to a lot of Bill Evans, Glenn Gould, Silver Jews...”< |
>When not writing, recording or releasing his records, Weaver is often on the road, touring through Europe, America and Australia. “I try and change my surroundings as often as I can,” says Weaver, who performs solo and with a revolving cast of collaborators. “This way I am always being exposed to new things that effect and change my interpretation of the world, which leads to a constant renewal in my art.” < |
>Weaver writes continuously, a process perhaps more akin to breathing than composing, and has released a veritable Minnesota blizzard of material – at the tender age of 27, Paper Sky is his fifth record. So perhaps it’s not a surprise that Weaver has already set to planning the record to follow Paper Sky. “I have always identified with those people who make art because they have to, that sense of necessity and urgency. That is why I make art, to fulfill that need within myself and to connect with, and provide art to the people of the world who also cannot live without it.” < |
> For Pre-Listening go to Benþs Myspace-Site! |
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