Sun Ra Arkestra: Living Sky - Hilfe
hilfe

Sun Ra Arkestra - Living Sky

Cover von Living Sky
Sun Ra Arkestra
Living Sky

Label Omni Sounds
Erstveröffentlichung 18.11.2022
Format CD
Lieferzeit 1 – 3 Werktage
Preis 17,95 € (inkl. MwSt. zzgl. Versand)
Rezension

22er. Wenn ich richtig gezählt habe, erst das 3. Studioalbum des Arkestra unter Leitung von Marshall Allen (seit 25 Jahren), alle anderen waren live. Meine Güte, der Mann ist jetzt 98!! Und wer ihn in den letzten Jahren live gesehen hat, kann über seine Physis nur staunen. Und erst über sein Altsax-Spiel!

Musikalisch hat er die Gruppe zuletzt ganz allmählich und sehr behutsam verändert (auch und gerade live), in Teilen allerdings nur, das ist auch hier zu hören, ohne die Essenz im Geringsten anzutasten. 19 Musiker machen mit, darunter diverses Stammpersonal von früher, u.a. Michael Ray, Vincent Chancey, Cecil Brooks, Farrid Barron, Knoel Scott, Elson Nascimento, Tara Middleton (die sich diesmal jedoch auf Geige und Flöte beschränkt, nicht singt). 2 Stücke nur stammen noch von Sun Ra, 3 neue von Allen, los geht´s mit „Chopin“ (das der Meister gegen Ende seines Lebens sporadisch schon coverte, allerdings nie im Studio), basierend auf dessen Präludium in A-Dur (Opus 28) - entsprechend ungeheuer (und wundervoll!) melodisch, eine Art erweiterte Ballade, warm, weich, rhythmisch erstaunlich straight, weitgehend harmonisch, jedoch nicht ohne kurze freie Ausbrüche von Allens Sax, sowie unterschwellige harmonisch „verschobene“ Delikatessen. Ein exquisiter Start. Eine weitere „richtige“ Ballade gesellt sich am Ende hinzu, ebenfalls ein gern (und öfters) von Sun Ra gespieltes Cover, nämlich das uralte melodisch gleichfalls bestechende bis unsterbliche Wish Upon A Star (von 1940), im Kern völlig „altmodisch“, wie üblich natürlich auch hier von punktuellen Free-Einschüben gekapert, die aus dem melodischen Spiel so effektvoll hervorbrechen (und/oder in selbigem münden). Sehr schön! Dazwischen liegen: Das Highlight (unter lauter Highlights) schlechthin, „Marshall´s Groove“, teilweise spirituell geprägter von den 50ern und 60ern beeinflußter Jazz (plus eine Spur R´n´B), filigran und behutsam beginnend, immer mehr intensiviert, handfest swingend-groovend einerseits, durchzogen von einem dschungelhaften kommunikativen grandiosen vielköpfigen mit allen Freiheiten ausgestatteten Bläsergeflecht andererseits, das rhythmisch teils ganz eigenen Regeln folgt (zudem toll arrangiert ist), partiell in den 50ern gebildeten Traditionen folgt. An Mingus mußte ich denken, in angenehmster begeisternder Weise, 11 geniale Minuten! Außerdem: Klassischer alter Arkestra-Sound mit einem repetitiven Bariton-Sax-Riff über die volle Distanz, einem federnd-elegant-elastischen („Ethno“-) Groove, einem an- und abschwellenden von kollektiven Soli geprägten Bläser-Körper deluxe, einem spacy Synth-Solo vom Feinsten, hinzu kommen (wie z.T. auch anderswo) kurze kongeniale Geigen-Einwürfe. Ein weiterer großartiger Track kombiniert lautmalerische Vocals (zur melodischen Unterstützung, non-stop dasselbe Motiv) und einen gleichmäßigen relativ entspannten phasenweise beinahe hypnotischen rhythmischen Fluß samt dezentem afrikanischen Einschlag mit unerhört reicher Harmonik/Melodik, nicht ohne (diesmal aber verminderte, behutsamere, subtilere) obligatorische freie Elemente (die kommen v.a. vom superben Piano); klasse Bläserarrangements, köstliche Feinheiten im Hintergrund (wozu kurz auch eine Orgel gehört). Von ganz alten Zeiten (40er etc.) grundierter swingender Jazz, der von der Bläserphalanx harmonisch geweitet wird, erinnert wieder an das typische Arkestra zum Beispiel der 80er, natürlich ebenfalls von grellen Sax-Attacken immer wieder befeuert, das Piano schießt nur sporadisch aus seinem konventionellen Korsett quer. Schlußendlich wissen sie dann doch richtig zu überraschen: Eine ganze Zeit lang diktieren eine rauhe Kora (mit leichtem irgendwie ostasiatischen Anklängen) sowie eine herrliche Flöte den betont reduzierten Sound, unterstützt von etwas afrikanisch anmutender Percussion, später erscheinen sanfte Bläser im Backing, eine Geige und eine Spur Karibik gesellen sich hinzu, ganz langsam verdichtet sich das Klangbild mit Hilfe von Bläsern, aber alles immer noch eher relaxt…

Fazit: Das Arkestra in großer Form, für mich unverzichtbar! (detlev von duhn)