Rezension
Cluster 71 gehört laut der britischen Musikbibel The Wire zu den "One Hundred Records That Set The World On Fire". Nur sehr wenigen Alben aus Deutschland wurde diese Ehre zuteil. Cluster 71 ist ein Monster:
Das Debüt-Album aus dem Jahr 1971 (eigentlich nur Cluster betitelt) enthält gerade mal drei (unbetitelte) Stücke und ist schwere Kost für unvorbereitete Ohren - für damalige zumal. Doch das Album war wegweisend wie kaum ein zweites elektronisches Musikwerk. Cluster waren vorher noch ein Trio und schrieben sich Kluster. Aufgrund musikalischer Differenzen trennten sich Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius 1970 von dem dritten Mitmusiker, Konrad Schnitzler, um eigene, neue Wege zu gehen. Neben Liveauftritten spielten sie 1971 im Hamburger Star Musikstudio des Verlegers Ralf Arnie ihr erstes Album, Cluster 71, ein. Dort lernten sie auch den inzwischen legendären Conny Plank kennen, mit dem sie bis zu dessen Tod 1987 eine innige Freundschaft verband.
Clusters völlige Abkehr von gebräuchlicher Harmonik und Rhythmik bis hin zu totaler klanglicher Abstraktion, ihr selbstverständlicher Umgang mit Geräuschen, rigorose live-elektronische Improvisationen und das Bewusstsein, nichts verlieren, sondern nur gewinnen zu können - das alles kennzeichnete 1971 Clusters innovativen Aufbruch. Mangels geeigneter Kategorien wurde Cluster 71 etwas hilflos und falsch als "kosmisch" klassifiziert. Nur wenige erkannten, dass Cluster die Synthese aus Popmusik ohne peinlichen Glamour und sogenannter Ernster Musik ohne intellektuelle Verkniffenheit war. Moebius und Roedelius nahmen sich die Freiheit, aus beiden Bereichen das zu nehmen, was ihrem musikalischen Konzept diente. Das ist heute selbstverständílich, kam aber 1971 einer Palastrevolution gleich. So mäandern und pulsieren denn auf Cluster 71 drei Stücke elektronischer Musik ohne Anfang und ohne Ende. Die Musik von Cluster ist frei und offen in alle Richtungen. Man hört auf diesem Album Klänge, Geräusche und Strukturen, die erst in den 80er und 90er Jahren fester Bestandteil der elektroniíschen Popmusik werden sollten. Cluster hatte mit Cluster 71 den ersten Schritt in diese Zukunft gewagt.
Unser Rezensent über das Album:
Dieter Möbius und Hans-Joachim Roedelius waren ihrer Zeit doch weit voraus. Das Debütalbum besteht aus zwei langen und einem kürzeren Track, irgendwo zwischen Ambient und Avantgarde-Noise. Ohne konventionelle Strukturen wie Rhythmus, Harmonie oder Gesang entwickeln sich hier frei mäandernde Klänge proto-elektronischer Herkunft. Düsteres Dräuen trifft auf elliptisches Schleifen, der Schritt zu viel später entstandenen Genres wie Industrial und Dub scheint gar nicht so weit zu sein, Bands wie Throbbing Gristle klangen Jahre später auch nicht viel anders. Manches scheint auf extrem verfremdeten Geräuschen unklarer Herkunft zu basieren, denn so etwas wie Synthesizer standen Cluster nicht zur Verfügung. Stattdessen arbeitete man mit Tapeloops, Delay-Effekten, Ringmodulatoren, manipulierter Orgel und präpariertem Cello aber auch mit unkonventionellem Equipment des Elektrikers. Die Musik ist improvisiert und definitiv avantgardistisch, dennoch gut hörbar. Aber ganz sicher kein kosmischer Rock und auch weit vom späteren strengen Minimalismus von Roedelius entfernt. Das Resultat ist ein suggestiver Trip ins abgründig Spacige wahrscheinlich zu jener Zeit typisch deutsch, die krautige Berliner Schule. . (Joe Whirlypop)
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