Ja, Panik - Don't Play With The Rich Kids?
Rezension
Während das letzte, experimentell-forschende und in viele Richtungen mäandernde Pop-Album "Die Gruppe Ja, Panik" (2021) ihr überraschendes Comeback nach siebenjähriger Kreativpause markierte, ist "Don"t play with the rich kids" nun so etwas wie ihre Rückkehr als Rock-Band. Als die Gang aus dem Burgenland, die sich spätestens seit "The Angst And The Money" (2009) in unser aller Herzen gespielt hat.
Wir sehen Stefan Pabst, Sebastian Janata, Laura Landergott und Andreas Spechtl auf dem Cover-Foto sanft umhüllt von einem Tuch am Strand von Nirgendwo. Es hält die Band nach innen zusammen und weist gleichzeitig eine klare Grenze nach außen: Wir sind hier, und Du bist da! Und es scheint nahezu unmöglich, in diesen inner circle hineinzukommen. Eleganter lässt sich das weltweit grassierende Klassismus-Problem wohl kaum darstellen. wohl auch irgendwann einmal mit auf den Weg gegeben. Während Ja, Panik früher das System immer wieder von innen heraus zerstören wollten, mit sehr viel Glam und lustvoll vorgetragener Autoaggression, haben sie ihre Marke noch einmal gründlich re-launched, um es im Werbe-Sprech der 90er-Jahre zu formulieren. Ihr Nihilismus made in Austria als Grundgefühl ist immer noch wichtiger Markenkern, aber er wird nun wesentlich reflektierter vorgetragen. Und das inzwischen ganz selbstverständliche Mitverhandeln der eigenen Privilegien scheint die Band in ihren neuen Songs regelrecht zu beflügeln. Denn diese Rich Kids sind schließlich auch sie selbst. Davon lässt sich selbstbewusst erzählen. Wobei das natürlich unbedingt im globalen Maßstab zu sehen ist. Wir alle wissen, was eine vierköpfige, linkspolitische Indie-Rock-Band zwischen Berlin und Wien mit ihrer Musik so verdient. Und auch wenn laut Spechtl nach wie vor "1.000 Kämpfe in seinem Körper kämpfen", von denen er nach eigener Feststellung keinen einzigen je gewinnen kann, scheint ihm seine neue Rolle als Zen-Rocker und selbsternannter Kung-Fu-Fighter umgeben von seinen alten Bandkolleg:innen in ausgezeichneter Form sehr gut zu tun.
Tja, viele Menschen in ihrem Alter besitzen inzwischen ein Haus in Brandenburg oder eine Eigentumswohnung in Berlin, aber wer kann sich schon Mitglied der Gruppe Ja, Panik nennen? Kulturelles Kapital, von dem viele Menschen nicht mal zu träumen wagen.
Unser Rezensent hat's gehört:
Gleich ein richtig guter Start: Hymnischer (Indie) Rock nicht ohne Pop-Elemente, vielschichtig in mehrfacher Hinsicht (was sich im Verlauf der Platte wiederholt, zumindest, was die instrumentale Seite betrifft, mitsamt einer beträchtlichen und effektiven Dichte in den Arrangements), in Teilen 90s-angelehnt. Danach höre ich u.a. 80s-Post Punk-Elemente unter Indie Pop-Einfluß, in einem Fall recht catchy und klasse; Scharfe schneidende aggressive Gitarren gekoppelt mit Vocals, die eher Pop-affin klingen samt dezentem Bowie-Touch; einen ruhigen akustisch-elektrischen Song, der instrumental ganz leicht experimentell und modern-psychedelisch ausfällt; ansatzweise elegischen später durch die Gitarre rohen bis relativ wüsten Rock; zeitlosen geradezu euphorischen melodischen Rock; Groove Rock mit Pop-Bezug, ein bisschen wie um 1990 herum; und schließlich einen lange Zeit ruhigen und sehr atmosphärischen 12-Minüter, der sich nach 5 Minuten zu einem frenetischen unerhört verdichteten intensiven Gitarren-Tour-de-force-Jam auswächst (toll!).
Insgesamt wird die Gitarrenbetonung nicht selten durchbrochen, das bandtypische Durcheinander von Englisch und Deutsch beibehalten, zwischendurch ganz gern kurze, leise akustische Momente eingebaut. Und wenn von Blur die Rede ist, ist das auch nicht ganz verkehrt… (detlev von duhn)
Tracklisting
1. LOST< |
>2. MAMA MADE THIS BOY< |
>3. KUNG FU FIGHTER< |
>4. DREAM 12059< |
>5. HEY REINA< |
>6. TEUFERL< |
>7. CHANGES< |
>8. FASCISM IS INVISIBLE (WHY NOT YOU?)< |
>9. DIE ANGST DES ARCHIVARS VOR DER SICHTUNG DER WELT< |
>10. EVERY SUN THAT SHINES< |
>11. USHUAIA |
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