Moritz Von Oswald & Ordo Sakhna - Moritz Von Oswald & Ordo Sakhna
Rezension
Günstiger, limitierter Sonderposten
Diese Platte ist wie eine Art intimes Tagebuch, das Zeugnis einer verblüffenden Begegnung. Moritz von Oswald ist einer der angesehensten Produzenten elektronischer Musik und vor allem durch seine Zeit bei Basic Channel, dem legendären Dub-Techno-Projekt bekannt.
Der Techno-Meister trifft in Bischkek, der Hauptstadt von Kirgisistan, auf das seit langen Jahren aktive Musikkollektiv Ordo Sakhna, das sich den dortigen Musiktraditionen annimmt. Gemeinsam entsteht eine multikulturelle Zusammenarbeit, die Erstaunliches hervorbringt. Das Ganze wird nicht zufällig dokumentiert, sondern unter professionellen Bedingungen und mit wunderbaren Vintage-Mikrofonen im Berliner Studio eigespielt. Einige dieser Aufnahmen werden von Moritz von Oswald weiterbearbeitet und mit Effekten versehen.
Auch zwei zehnminütige Dub-Versionen sind dabei: ein für Berliner Clubs typischer Tanztrack sowie dessen Variante mit mystisch-verhallten Drums, live auf der Bühne in Bischkek aufgenommen. Der Höhepunkt ist aber der 15- minütige »Dream Mix«, ein Stück, das tatsächlich wie ein Traum in verschiedenen Sequenzen vorbeizieht.
Und so hört unser Rezensent das Album:
17er, eines der nicht so häufigen Alben von Moritz von Oswald, mit denen ich was anfangen kann, und zwar eine ganze Menge! Bekannt vor allem für elektronische Musik verschiedener Art sowie Techno und Dub der experimentelleren Sorte, arbeitete er u.a. mit Palais Schaumburg (als Mitglied), Holger Hiller, Tony Allen (als Mitglied von Oswalds Trio!), Juan Atkins, Tikiman, Sugar Minott, Carl Craig, war eng verbunden mit dem Tresor-Label, gründete diverse eigene Labels (Basic Channel, Chain Reaction, Rhythm & Sound, Burial Mix), die als solche bis heute Kult-Status innehaben (gerade auch in den USA) und einige Klassiker hervorbrachten. Aber er hat schon lange auch Interesse an World Music, und das kommt hier zum Tragen, einer Gemeinschaftsproduktion mit einer Gruppe aus Kirgistan.
Eine ganze Reihe sehr verschiedenartiger aber durchgängig kurzer und minimalistischer Stücke machen das Gros des Albums aus: Zwei höchst rhythmische rasante/virtuose akustische Saiten-Battles (eine mit Percussion), eine wundervolle auf Flöte und evt. Gesang basierende hypnotisch-kontemplative absolut faszinierende Nummer, (z.T. langsam rollende) Trance-Meditationen mit wahlweise effektveredeltem Schlagwerk oder friedvollem Cello von fremdartiger großer Schönheit. Letzteres gilt auch für eine unbegleitete becircende Solo-Performance einer Sängerin. Ein zutiefst poetisches Lied, 2-stimmig (m/w) in Harmony gesungen, schlicht Saiten-begleitet. Ein Solo zweier „Mund-Harfen“, rhythmisiert. Für Sekunden erinnerten mich 2,3 Tracks übrigens entfernt an Huun Huur Tu. Sodann gibt es 2 mittel-lange Stücke, geheimnisvoll-dunkel gleichmäßig pochend (gewissermaßen groovend), sowas ähnliches wie völlig ruhiger „Experimental-Ethno-Tribal-Techno“, verhallt und Echo-bestückt; Nr. 2 ist eine „Dub Version“ davon, die den klanglichen Ethno-Gehalt verstärkt/mehr Klangfarben hinzufügt, Gesangsfetzen inklusive. Außerdem: Eine 10-minütige Live-Dub-Nummer über einem steady Groove mit vor allem Mundharfe, sehr dezentem verwehtem Synthie und programmierten Beats samt reichlich (doch auch eher sparsam dosierten) Effekten. Schlußendlich ein 15-minütiger abenteuerlicher Mix aus angedeuteten Dub-Elementen, elektronischer deutscher (z.B. „kosmischer“) Musik aus den 70ern, zeitweise angedeuteten unterschwelligen Grooves, düster-spooky Klängen (nicht gar so weit weg von einer Art experimentellen Space-Industrial-Kombination).
Ein bischen dachte ich phasenweise an die 1. LP von Cluster. Percussion, Synth und verfremdete undefinierbare Sounds kommen hier zum Einsatz, wohl auch Vocals. Klasse Album insgesamt, ich muß mich mal mit kirgisischer Musik näher beschäftigen. (detlev von duhn)