Rezension
CD im Digipack
5 Jahre nach dem famosen Vorgänger „Utopia“ jetzt ein doch stark gegensätzliches (und radikales) Werk, das nicht leicht zu verdauen ist. In den Kritiken, die ich gelesen habe, ist viel von Techno die Rede nun, zum einen tritt der nur in der rhythmischen Gestaltung auf, zum anderen relativ selten, und dann z.T. eher im Kontext artifiziell wirkend (nur 1x, für vielleicht anderthalb Minuten, nervend und dominant großteils), und fällt dabei meist kaum als solcher auf. Fast das ganze Album ist experimentell ausgerichtet, auf allerdings höchst variable und partiell sogar geradezu irgendwie „vergnügliche“, jedenfalls unterhaltsame Weise. Offene Ohren, einen Sinn für freigeistige bis „schwierige“ Musik braucht es auf jeden Fall, um das richtig genießen zu können, manchmal geht es auch mir etwas zu weit, deutlich häufiger aber finde ich es absolut faszinierend! Und sehr spannend. Es gibt stark bis beinahe ausschließlich vokal-bestimmte Stücke, ob Verfremdungs-Avantgarde pur oder bestechendes mehrschichtiges ungemein reizvolles Zusammenwirken mehrerer (ihrer) Stimmen; recht düstere pochende E-Avantgarde, die mit ihren gegenläufigen jedoch sich wunderbar findenden Klängen und Melodien und rhythmisch weitgehend geradlinigen Reizen schon hypnotische Strahlkraft entwickelt (was für mehrere Tracks zutrifft!), in einem Fall durch leuchtende bis beschwingte Streicher noch verstärkt; verfremdeten Folk, der nichts mit herkömmlichen Traditionen zu tun hat und auf vielfältiger Basis einen seltsam faszinierenden Sog ausübt; zwischendurch wird´s noisig-atonal, für Momente verarbeitet ein Track Gamelan/Minimal Music-Einfluß, ein anderer hält die Rhythmik ausgesprochen komplex, teils im stop-and-go-Verfahren. Eines der Highlights verbindet Streicher, Glockenklänge, ihre Stimme und einen komplizierten Rhythmus zu einem phasenweise ziemlich hinreißenden neuartigen Klangerlebnis von bizarrer Schönheit, abseits aller denkbaren Vorbilder. Und zum Schluß begeistert mich wunderschöner geradezu (wenn auch auf eher unorthodoxe Weise) lieblicher dezent „außerweltlicher“ Pop ganz eigener Art. Instrumental verwendet sie neben den erwähnten Streichern ein (Bass-) Klarinetten-Sextet, einen Chor, Keyboards, Oboe und Flöte, evt. Orgel. Das einzige, was ich generell zu bemängeln habe, ist, daß sie nicht gerade auf Melodienpracht setzt. Die meisten Vergleiche, die zu lesen waren, lassen sich eigentlich in die Tonne treten, bis auf vielleicht (ansatzweise/in den Grundzügen und natürlich nur punktuell) der späte Scott Walker, Laurie Anderson, vielleicht noch Diamanda Galas. Spezielle Empfehlung. (detlev von duhn)
Tracklisting
1. Atopos< |
>2. Ovule< |
>3. Mycelia< |
>4. Sorrowful Soil< |
>5. Ancestress< |
>6. Fagurt Er I Fjordum< |
>7. Victimhood< |
>8. Allow< |
>9. Fungal City< |
>10. Trolla-Gabba< |
>11. Freefall< |
>12. Fossora< |
>13. Her Mother's House |
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