Rezension
In allen Farben leuchtender, beseelter Indie-Folk des griechisch/deutschen Duos um Eleni Zafiriadou und Daniel Benjamin, beides Multi-Instrumentalisten und begnadete Musiker wie Songwriter, was sich im jüngst verliehenen Deutschen Musikautorenpreis auch hochoffiziell manifestierte. Nachdem bereits das wunderschöne Debutalbum „My Heart’s Sick Chord“ unsere ungeteilte Begeisterung fand, sind wir mehr als froh, das Paar an uns auch Label-seitig gebunden zu haben. „Evropi“ (griechisch für „Europa“) ist ja schon fast ein prophetischer Titel für ein Album einer Band mit diesem biographischen Hintergrund. Und es zeigt auf musikalischer Ebene, dass Griechenland und Deutschland zusammen gut funktionieren kann; ja mehr als das. Von Tim Bruzon (Wave Machines) in Liverpool produziert (der auch bei drei Songs selber in die Saiten greift) erzählt „Evropi“ die (wahre) Geschichte von Eleni’s Familie, die in den 1920er Jahren aus dem griechisch besiedelten Teil der Türkei vertrieben wurde und über Generationen auf der Suche nach einer neuen, inneren Heimat war. Das Ganze ist musikalisch so mitreißend umgesetzt worden, so vielschichtig und durchdacht durcharrangiert, dass es seinesgleichen sucht. Vom elegisch-getragenen Opener „We All Have To Leave Someday“ über die erste Singleauskopplung „Follow Me Me Me“, einem fast schon klassischen Indie-Hit mit angenehmer Schräglage a la „Black & White“ von den Stranglers, geht es zum hymnischen „Should I Care“ einem Song, der so viel Sonne und Zuversicht atmet, dass einem jegliche Art von negativen Gefühlen automatisch ausgetrieben werden. Bis zum ergreifenden Closing Track „You Are“ (eines der schönsten und romantischsten Liebeslieder, die je auf Glitterhouse veröffentlicht wurden) sind es insgesamt noch weitere neun Songs, jeder ein eigenes Universum, eine eigene Geschichte, in der es massenhaft Dinge/Klänge/Melodien zu entdecken gibt, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Ein Album, dass der perfekten Balance zwischen künstlerischem Anspruch in all seiner Komplexität und gnadenloser Melodiösität extrem nahe kommt, eine wundervolle Platte für den Sommer, aber auch alle anderen Jahreszeiten; jedem, der Ohren hat zu Hören, wärmstens ans Herz gelegt. (lrm)Das neue Album versenden wir ab dem Veröffentlichungstag 21. August. Alle Besteller, die das Werk bis zu diesem Datum geordert haben, erhalten ein von Sea + Air handsigniertes Exemplar, egal ob CD oder LP!600 Konzerte, 22 Länder, drei Jahre nonstop unterwegs in einem Europa der Aufbruchsstimmung. Ein Auftritt in Lissabon, während nebenan eine Demonstration in Krawallen endet. Begegnungen mit Konzertbesuchern in der Ukraine, die ahnen, dass ein Krieg bevorsteht. Geldstapel in verrauchten italienischen Clubhinterzimmern. Und mittendrin ein griechisch-deutsches Ehepaar. SEΛ + ΛIR sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das wird bei der Tour zu ihrem Debütalbum deutlich. Hier gibt es genug Stoff aus erster Hand für ein Album über Europa. Noch auf der Reise fängt die Arbeit an den Songs an.Was aus Mangel an musiktheoretischen Fähigkeiten und Aufnahmemöglichkeiten notgedrungen unter zahllosen Duschen und in unheimlichen Hotelzimmern Europas beginnt, wächst zu einer gewaltigen Idee heran: Warum nicht ein komplettes Album im Kopf komponieren? Der Kopf dient dabei als natürliches Sieb, das die Spreu vom Weizen trennt: Nur einmalige Ideen und eingängige Melodien überleben die Nacht. Dazu der unmittelbare, alltägliche Bezug zu Europa und Elenis Familiengeschichte. Die Geschichte einer Reise von Kleinasien nach Griechenland, Deutschland und wieder zurück. „Meine Familie kennt es nicht anders. Seit meine Urgroßmutter 1922 aus Anatolien vertrieben wurde, waren meine Vorfahren auf Reisen. Ob als Flüchtlinge, Gastarbeiter oder als Musiker. Heimatlosigkeit liegt in unseren Genen und erklärt vielleicht warum ich nicht lange an einem Ort bleiben kann.“, erzählt Eleni von SEΛ + ΛIR nach ihrer dreijährigen Tour. Auf einer solchen Reise die verschiedenen Gesichter Europas aus der Nähe zu betrachten und sich selbst überall wiederzuentdecken, erschafft eine eigenartige Spannung. Ebenso wie die Dunkelheit der Vergangenheit gegen das Licht einer möglichen Zukunft kämpft, bringen die auf dieser Tour erlebten Emotionen eine positive, innere Unruhe für das neue Album. Wir mussten uns selbst fragen: Kann man das bringen?“, resümiert Daniel.Nach diversen Preisen, alle Erwartungen übertreffenden Verkaufszahlen des Debütalbums und zuletzt meist ausverkauften Konzerten eine berechtigte Frage. Schaut man jedoch zurück zur ursprünglichen Idee des Pop, lautet die Antwort: unbedingt! Popmusik war mal gefährlich, aufregend. Popmusik hat mal gestört, war rebellisch. Darin bestand der Unterschied zum Schlager. Auch wenn diese Tage lange vorbei sind, sind SEΛ + ΛIR noch nicht bereit, den rohen Geist der Popmusik ad acta zu legen. Sie zeigen: Popmusik kann noch überraschen. Musikalisch und inhaltlich. Genau dieser Kampfgeist macht die Platte aus. In einer Zeit, in der Musik von ihrer Industrie immer mehr als „Kunst“ inszeniert und vermarktet wird, wirken selbst die Texte auf Evropi rebellisch. Simple, beinahe naive Geschichten über drei Frauen in der Diaspora. Über jene Themen, um die es in einer Lebensreise unterm Strich geht: Liebe, Frieden und Verständnis. Wodurch sich auch der Kreis zum Schlager wieder schließt. Popmusik muss eben doch von Herzen kommen.Ihre Musik bezeichnen SEΛ + ΛIR als „Ghost Pop“. Eine Mischung aus längst verloren geglaubten mediterranen Melodien und exotischen Instrumenten, die über Generationen weitergegeben wurden und ihre eigenen Geschichten erzählen. Der typische SEΛ + ΛIR Sound des Debüts - das Cembalo, die krautige Experimentierfreudigkeit der 70er, sowie augenzwinkernde Stadionrockmomente in all ihrer Deutschness - wird bei diesem Album mit sämtlichen griechischen Wassern gewaschen. Beeinflusst von pontischer Musik und Rembetiko, kommen traditionelle griechische Instrumente wie Lyra oder Bouzouki zum Einsatz. So lädt bereits das Intro „We All Have To Leave Someday“ auf eine abenteuerliche, musikalische Reise ein. Experimentiert wird mit byzantinischem Gesang und der rhythmischen sowie emotionalen Freiheit einer jahrhundertealten Musiktradition, die insbesondere bei „Flowers From The Distance“ von Elenis entrückter Stimme eingefangen wird.Das Spiel mit den Extremen und Geschlechterrollen treiben SEA + AIR gerne auf die Spitze. Daniels Falsetto und Elenis androgyne Stimme verwirren bisweilen den Hörer. Kryptisch bleibt, wer bei Stücken wie „Mercy Looks Good On You“ oder „HaHaHaHaHa“ gerade singt. Das orchestrale „Lady Evropi“ erweist sich als prophetische Vision zur aktuellen Lage Griechenlands, indem es seine zwiespältige Beziehung zu Europa beschreibt. Mit verspielter Leichtigkeit und emotionaler Schwere samt der Weigerung, es allen recht machen zu wollen, ist dem griechisch-deutschen Ehepaar mit ihrem zweiten Album ein kontinentaleuropäisches Werk abseits jeder Kategorisierung gelungen. Trotz seiner Eigenwilligkeit und dem selbstbewussten Abstand von angloamerikanischen Einflüssen erreicht es den internationalen Pop-Hörer mit eingängigen Nummern wie „Should I Care“ oder „Peace Begins At Home“, die jedes Kind mitsingt, wenn es die Eltern im Radio hören.
Review
600 shows, 22 countries, 3 years of non-stop touring across a changing continent. A show in Lisbon close to a demonstration turning into a riot. Side rooms full of smoke and stacked money in Italy. Meeting Ukrainian fans with a foreboding of an upcoming war. And a married Greek/German couple in the thick of it.Eleni Zafiriadou and Daniel Benjamin aka SEΛ + ΛIR found themselves in the right place at the right time. While touring their debut „My Heart's Sick Chord“ both recognised the significance of these scenes they found for an album about Europe reflected in the eyes of young people across the continent. Instantly they started writing new songs on the road: morning by morning in countless showers, night after night in scary hotel rooms in nameless cities and during months of driving. Due to a lack of recording equipment and music theory a big idea occurred: How about composing an album completely in your mind?Using the brain as a natural filter: only unique and catchy ideas survive the night. Combined with their relationship to Europe and Eleni's personal history it became the story of a family that hadn't had a home for generations. The story of a journey from Asia Minor to Greece, Germany and back across Europe: „My family was used to this. Since my grandmother was expelled from Anatolia in 1922 my ancestors did travel. Being refugees, migrant workers, or musicians. Homelessness is a part of us and one reason why I can't stay at the same place for a long time.“, Eleni tells after a 3 years lasting tour. „Travelling Europe and getting close to all of its different faces while you recognise yourself in it causes a strange tension. The same way the darkness of the past fights the light of the future, these experiences evoke a positive anxiety to the next album. We had to ask ourselves: Can we really do this?“, Daniel sums up.After winning several awards, selling thousands of records and selling out shows this is a legitimate question. But if you look back at pop music and its ideas in the beginning the answer has to be: definitely! Pop music used to be dangerous and thrilling, disturbing and rebellious. That's the main difference between pop and Schlager music. Even if these days might be over SEΛ + ΛIR are not willing to give up this raw spirit. They show that pop music can still be surprising. Nowadays as so much music is staged and brought to market as art, even the lyrics of Evropi seem to be rebellious: Simple stories about three women of the diaspora. Stories about life, love, peace and understanding. SEΛ + ΛIR define their songs as „Ghost Pop“: A mixture of long-lost Mediterranean melodies and exotic instruments telling a story of their own. Influenced by Pontic music and Rembetiko, traditional Greek intruments like the Lyra or the Bouzouki are used and already the opener „We All Have To Leave Someday“ leads to an adventurous musical journey. Daniel and Eleni experiment with Byzantine singing and the rhythmic and emotional freedom of an age-old music tradition captured by Elenis spaced out voice in „Flowers From The Distance“. SEA + AIR love playing with extremes and sexual stereotyping. Daniel's falsetto voice and Eleni's androgynous singing confuse the listener, leaving it unclear who's singing the lead on „Mercy Looks Good On You“ and „HaHaHaHaHa“. The orchestral „Lady Evropi“ is a forseeing vision to the situation in Greece describing its dividing relationship to Europe.SEA + AIR make the grade to compose an amazing and individual album about continental Europe that fits no genres. Despite the refusal to try to suit everybody and to be governed too much by Anglo-American influences Evropi still manages to reach the international pop audience with its catchy radio songs like „Should I Care“ or „Peace Begins At Home“.
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